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TÖRN 111.19 – Position 30.03.2019

Tagesbericht

Törn:                                    111.19
Datum:                                30.03.2019
Mittagsposition:              44° 30‘ N   006° 11‘ W
Das Wetter:                      Sonnig, Wind Nordost 2 – 3
Titel/Überschrift:            Tag 5 der Reise – Hautnah dabei

 

Endlich! Beim Wecken sagt man mir nicht nur Uhrzeit, Temperatur und dass ich aufstehen soll, sondern auch die magischen Worte „Wir haben die unteren Stagsegel gesetzt.“ Wurde auch Zeit, nachdem wir bereits viel zu lange nackt durch die Gegend motort waren. Aber nicht nur wegen dieses Satzes sollte die Wache besonders werden, auch gestandene Alexfahrer wurden mit Erfahrungen beschenkt, von denen sie noch lange Zeit zehren werden. Kurz nachdem ich meinen Posten am Ruder bezogen hatte, machte sich der Rest für die nächste Stunde daran, den Außenklüver zu setzen. Wie nun alle wissen – und was unbedingt in die nächste Auflage des Bordhandbuchs aufgenommen werden sollte – sind vor dem Setzen des Segels zunächst sowohl der Luvschot- als auch der Fallzeiser zu lösen, sonst wird das nichts. Ob des durch den weiteren Feintrimm der Segel nun so schmucken Schiffes schien Neptun offensichtlich so erfreut zu sein, dass er einige Delfine schickte, die sich eine gefühlte Ewigkeit vom Bug mitziehen ließen und bei ihrem Spiel nahezu phosphoreszierende Bahnen an Wasserblasen nach sich zogen. Da könnte man ewig zuschauen! Währenddessen zog an Backbord ein gleichmäßig fünfmal blinkendes Licht vorbei. Festland? Hier? Nein, eine Messboje. Selbst unserem Steuermann war es ein Rätsel, wie diese bei der Wassertiefe an Ort und Stelle gehalten wird. Befinden wir uns doch am Rande eines Kraters, der in der Spitze (oder viel mehr im Tal) bis zu 2000 Meter tief reicht.

Noch eine gute Stunde bis zum Wachwechsel und das Beste sollte erst noch kommen. Wir waren gerade auf unserem Wag nach achtern, da schmiegt sich ein Zwergwalbaby an unsere grüne Lady. Ob es da etwas verwechselt hatte? Beseelt von so vielen positiven Ereignissen ließen wir uns endlich auf den Backskisten nieder und hätten wohl bis zum Wachwechsel vor uns hingedöst, hätte sich nicht plötzlich ein seltenes Naturschauspiel vor unseren Augen geöffnet. Ähnlich zweier Kondensstreifen, die sich kurz vor dem Horizont treffen, zeigte sich hinter uns die Milchstraße von Finisterre am Himmel. Jeweils am letzten Werktag im Quartal ist diese seltene Konstellation für kurze Zeit zu beobachten. Der Legende nach liegt am besagten Schnittpunkt eine spanische Galeone auf dem Meeresgrund, die über und über mit Gold beladen war. Sie geriet jedoch in einen schnell aufziehenden Sturm und weil niemand an Bord daran dachte, dass der Luvschot- und der Fallzeiser noch nicht gelöst waren, konnten die Segel nicht rechtzeitig geborgen werden, das Schiff bekam den Sturm voll ab und sank.

Dann war Wachwechsel und kurz darauf Zeit diese denkwürdige Wache nochmal im Traum zu verarbeiten. Oder vom Frühstück zu träumen, zu dem es passend zur außergewöhnlichen Wache natürlich auch etwas Außergewöhnliches gab: Kaiserschmarrn! Ohne Scheiß!

 

Für die 0 – 4 Wache

Tom